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Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Primatenzentrums Göttingen eingestellt

Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 16.05.2022


Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat ein gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Primatenzentrums Göttingen gerichtetes Ermittlungsverfahren – teilweise gegen Geldauflagen – eingestellt. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, welches für die Genehmigung von Tierversuchen zuständig ist, hatte aufgrund von mangelhafter Dokumentation bei Tierversuchen Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet, weil der Verdacht bestand, dass Affen ohne vernünftigen Grund getötet oder länger anhaltende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt worden sind. Bei einer Durchsuchung des Primatenzentrums aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft Göttingen beim Amtsgericht Göttingen erwirkten Durchsuchungsbeschlusses konnten zahlreiche Unterlagen sichergestellt und ausgewertet werden. Letztlich ergab sich ein Verdacht, dass 7 Weißbüschelaffen, bei denen vorschriftsmäßig während der laufenden Tierversuche die Vitalfunktionen gemessen worden waren, nicht umgehend getötet wurden, obgleich die Vitalfunktionen der Tiere so schlecht waren, dass eine umgehende Tötung angezeigt gewesen wäre. Stattdessen sollen die Tiere erst 1 – 2 Tage später getötet worden sein. Bei 13 weiteren Tieren ergab sich aus der Dokumentation nicht, warum diese nach Beendigung der Tierversuche getötet wurden. Insoweit bestand der Verdacht, dass die Tötung aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgte.

Bei einer der beschuldigten Personen war nach dem Ergebnis der Ermittlungen davon auszugehen, dass sie an sämtlichen hier in Rede stehenden Versuchen nicht beteiligt war. Insoweit wurde das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Soweit zwei Pathologinnen aufgrund der Dokumentationen verdächtig waren, an der Tötung von Affen beteiligt gewesen zu sein, haben die Ermittlungen ergeben, dass die Anwesenheit der Pathologinnen darauf beruhte, dass unmittelbar nach der Tötung Organe der Tiere entnommen werden sollten. An der Entscheidung, dass und warum die Tiere getötet werden sollen, waren sie nicht beteiligt. Auch hinsichtlich dieser beiden Personen wurde das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Bei einer Beschuldigten bestand der Verdacht, dass diese an der Tötung eines Weißbüschelaffen beteiligt war, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund für die Tötung des Tieres dargelegt wurde. Die Tötung soll zum Zwecke der Organentnahme zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgt sein. Eine Organentnahme zu wissenschaftlichen Zwecken kann einen vernünftigen Grund zur Tötung gem. § 4 Abs. 3 TierSchG darstellen. Indes war diesbezüglich kein Genehmigungsantrag gestellt worden, weshalb eine Straflosigkeit zweifelhaft erschien. Das Ermittlungsverfahren ist insoweit mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Amtsgerichts Göttingen gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden, weil das Verschulden der Beschuldigten in einer Gesamtschau als gering anzusehen war.

Gegen eine Tierärztin sowie den Leiter der Forschungsgruppe, der auch in allen Fällen die erforderlichen Anträge für die Tierversuche gestellt hatte, bestand indes ein Tatverdacht wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Insoweit war indes von den Verteidigern vorgetragen worden, die Tiere hätten erst getötet werden können, nachdem sie nüchtern waren. Diesbezüglich wurde die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens beantragt. Im Übrigen seien die 13 oben genannten Affen nicht ohne vernünftigen Grund getötet worden. Allein der Umstand, dass teilweise ein vernünftiger Grund in der Dokumentation nicht benannt worden sei, belege nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit, dass ein solcher Grund nicht vorgelegen habe. Insoweit ist festzustellen, dass im Strafrecht bei mangelnder Dokumentation durch den Arzt nicht die Grundsätze der Beweislastumkehr wie im Zivilrecht gelten. Vielmehr muss dem Beschuldigten mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit ein strafbares Verhalten nachgewiesen werden. Im Übrigen wurde von der Verteidigung die Neutralität des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angezweifelt, welches in dem Verfahren ein Gutachten erstattet hatte. In Übereinstimmung mit dem Landesamt ist die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Geldauflage von jeweils 3.000 € hinsichtlich beider Beschuldigten, zu zahlen jeweils an Tierschutzeinrichtungen, ausreichend und geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Das Verfahren wurde hinsichtlich der beiden Beschuldigten insoweit mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Amtsgerichts Göttingen gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.

Anmerkung:

Soweit in der vorgenannten Pressemitteilung möglicherweise der Eindruck erweckt wird, eine Tötung zum Zwecke der Organentnahme zu wissenschaftlichen Zwecken gemäß § 4 Abs. 3 Tierschutzgesetz bedürfe einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung, wird darauf hingewiesen, dass dies nicht der Fall ist. Es hätte vielmehr vorliegend unabhängig vom Tierversuch die Tötung des Primaten aus dem vorgenannten Grund in einem gesonderten Verfahren der Aufsichtsbehörde angezeigt werden müssen.

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Oberstaatsanwalt Andreas Buick

Staatsanwaltschaft Göttingen
Pressesprecher
Waageplatz 7
37073 Göttingen
Tel: +49 551 403-1605
Fax: +49 551 403-1633

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